Studienlage zur Vitalstoffversorgung in Deutschland und Österreich

Trotz weltweit anerkannter Studien, die das Gegenteil beweisen, wird folgende Behauptung immer wieder in den Medien verbreitet: „Die tägliche Nahrung enthält alles an Vitaminen und Mineralstoffen, was unser Organismus braucht.“

Der gesundheitliche Schaden durch diese Fehlinformation ist heute unübersehbar. Offensichtlich besteht seitens der Wirtschaftszweige, die von kranken Patienten leben, ein Interesse an derartigen Aussagen, die dann undifferenziert von der Presse verbreitet werden.

Die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Auftrag gegebene „Nationale Verzehrsstudie II“ zeigt ein anderes Bild. Befragt wurden etwa 20.000 Personen im Alter zwischen 14 und 80 Jahren im Zeitraum November 2005 bis Januar 2007. In 2008 wurden die Ergebnisse veröffentlicht, und sie sind bis zum Erscheinen dieses Ratgebers die größte epidemiologische Studie zur Erfassung der Ernährungsgewohnheiten und des Lebensmittelverzehrs in Deutschland.[4]

Diese Studie zeigt, dass bei einigen Vitalstoffen die Versorgung in eklatanter Weise unzureichend ist. Basis für die Bewertung sind die Nährstoffempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die die Ergebnisse der Verzehrsstudie in ihrem 12. Ernährungsbericht,[5] erschienen im Dezember 2012, heranzieht. Danach:

  • ist über die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig!
  • hatten 16 % der Studienteilnehmer in den letzten vier Wochen vor der Befragung keinen Fisch bzw. keine Fischgerichte verzehrt.
  • lag die Aufnahme von Ballaststoffen bei beiden Geschlechtern unterhalb des Richtwertes für die Ballaststoffaufnahme von mindestens 30 g/Tag.
  • unterschritten 82 % der Männer und 91 % der Frauen die Empfehlung für die Vitamin D-Aufnahme. In besonderem Ausmaß trifft dies auf junge Erwachsene und Senioren zu.
  • unterschritten 79 % der Männer und 86 % der Frauen die Empfehlung für die Folsäureversorgung. Die Anteile steigen mit zunehmendem Alter.
  • unterschritten über 75 % der Frauen im gebärfähigen Alter während dieser Lebensphase die empfohlene Dosis an Eisen.
  • unterschritten 74 % der weiblichen Jugendlichen (14-18 Jahre) die Empfehlung für die Aufnahme von Calcium, bei den älteren Männern sind es 61 % und bei älteren Frauen (65-80 Jahre) sind es 65 %.
  • wurde bei der Jodversorgung der höchste Mangel festgestellt. 96 % der Männer und 97 % der Frauen haben eine zu geringe Jodversorgung.

Über 80 % der Bevölkerung ist unzureichend mit DHA versorgt!

Nach einer Studie des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) erreichen nur 12 % der Frauen und 20 % der Männer eine mittlere tägliche Aufnahme von langkettigen Omega-3-Fettsäuren, die dem Verzehr von zwei Fischmahlzeiten in der Woche entspricht (ca. 350 mg). Die 16 % der Bevölkerung, die keinen Fisch verzehren, nehmen im Mittel sogar
nur 61 mg DHA/EPA pro Tag auf (Datengrundlage ist u.a. eine in Deutschland repräsentative Stichprobe mit über 4.000 Befragten im Alter von 18-79 Jahren).

Laut einer WHO-Studie haben nur 2 % der jungen Mütter in den westlichen Industrieländern genügend DHA in der Muttermilch.

Das Fazit des Österreichischen Ernährungsberichts 2012[6] fasst das Bundesministerium für Gesundheit in Österreich so zusammen:

„Die ÖsterreicherInnen essen immer noch zu fett, deutlich zu salzig und zu wenig Obst und Gemüse. Dennoch ist der Nährstoffstatus im Wesentlichen gut.“

Letztere Aussage verwundert, wenn man dann die Details des Berichts studiert:

  • 40 % der 18-64 jährigen sind übergewichtig, zwölf Prozent davon sind adipös – bei Menschen ab 65 Jahren sind 17 % untergewichtig.
  • Die Fettqualität ist verbesserungswürdig. In allen Teilkollektiven zeigt sich ein zu hoher Konsum an gesättigten Fettsäuren. Verantwortlich dafür ist vor allem ein zu häufiger Verzehr von Fleisch- und Wurstwaren.
  • Die Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren könnte optimiert werden, z.B. durch häufigeren Konsum von Fisch oder hochwertigen pflanzlichen Ölen.
  • In allen Altersgruppen wird mehr Kochsalz zugeführt als maximal empfohlen. Bei mehr als der Hälfte der Erwachsenen und älteren Menschen liegt die Aufnahme sogar über dem als gesundheitlich bedenklich eingestuften Wert von 10 g/Tag (das entspricht ca. 2 Teelöffeln).
  • Zu wenig Kohlenhydrate, klar zu wenig Ballaststoffe, ausreichend Eiweiß: Lediglich Schulkinder nehmen die mindestens empfohlenen 50 Prozent an Energie durch Kohlenhydrate zu sich. Im Mittel stammen bei den Schulkindern aber mehr als die maximal empfohlenen zehn „Energieprozent“ aus Zucker. Erwachsene und ältere Menschen erreichen die Empfehlung von mindestens der Hälfte der Energiemenge aus Kohlenhydraten nicht, hier ist aber die entsprechende Zuckermenge im Bereich der Empfehlung.
  • Komplexe Kohlenhydrate (stärkehaltige Lebensmittel) werden nach wie vor zu wenig verzehrt. Eine Folge davon ist eine zu niedrige Ballaststoffzufuhr (zusätzlich verstärkt durch einen zu geringen Verzehr von Vollkornprodukten, Gemüse und Hülsenfrüchten). Sie liegt im Durchschnitt klar unter der Empfehlung von 30 g/Tag. Die Zufuhr von Protein ist in allen untersuchten Altersgruppen zufriedenstellend.
  • Bei einigen Vitaminen bestätigen sich die kritischen Aufnahmedaten aus vergangenen Berichten. Zu diesen „Risikonährstoffen“ zählen Vitamin D, Folsäure, Calcium und Jod. Hinzu kommt Eisen bei Schulkindern und Frauen im gebärfähigen Alter (unter 50 Jahren). Grenzwertig ist die Zufuhr von Magnesium bei männlichen Erwachsenen und älteren Menschen sowie bei den älteren Menschen Vitamin A, C und Zink.

Am Schluss der Zusammenfassung des Ernährungsberichts wird der beruhigende Tenor des einleitenden Satzes dann nochmal wiederholt:

Nährstoffstatus im Wesentlichen gut: Bei den Hauptnährstoffen und bei den meisten Vitaminen und Mineralstoffen ergaben die Blut- bzw. Haaranalysen durchaus gute Statusdaten. Die deutlich zu hohe Natriumzufuhr (über Salz) wurde durch Haaranalysen bestätigt. Die Fett- bzw. Zuckerstoffwechselparameter waren im Wesentlichen zufriedenstellend. Auch bei einigen der „kritischen“ Mikronährstoffe (bezüglich Zufuhr – siehe oben) zeigte sich keine Unterversorgung. Bei Folsäure liegt eine weitaus bessere Langzeitversorgung vor als bisher vermutet.

Aber auch wieder, wie schon in ähnlicher Weise von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eingestanden:

  • Bei Vitamin D, Selen, Calcium und Zink liegen tatsächlich erniedrigte Statuswerte vor.

Mit keinem Wort wird erwähnt, wie wesentlich aber z.B. gerade die Versorgung mit Vitamin D und mit Zink ist. Mein Fazit lautet da anders:

Nährstoffstatus mehr als kritisch!

zum nächsten Kapitel >Welche Ursachen hat ein Vitalstoffdefizit?

NVS_II

Für die Nationale Verzehrsstudie II wurden über 20.000 Bürgerinnen und Bürger zwischen 14 und 80 Jahren in allen Teilen Deutschlands befragt.

ernaehrungsbericht-2012

Der 12. Ernährungsbericht 2012 liefert die Fortschreibung der Daten zur Ernährungssituation und Adipositashäufigkeit in Deutschland sowie zur Lebensmittelsicherheit. Der von der DGE im Auftrag des BMELV herausgegebene Ernährungsbericht ist eine wissenschaftlich fundierte, objektive Informationsquelle für Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und Mittlerkräfte.

osterreichischer-ernahrungsbericht-2012